Die Wärmebehandlung von Metallen ist ein wesentlicher Prozess in der Metallverarbeitung, der die mechanischen und physikalischen Eigenschaften von Metallen verändert. Durch gezielte Temperaturführung und Abkühlung können Härte, Festigkeit, Zähigkeit und andere Eigenschaften optimiert werden. In diesem Blogartikel möchte ich mein Wissen aus dem Maschinenbaustudium weitergeben und einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Wärmebehandlungsverfahren, ihre Anwendungen und die zugrunde liegenden Prinzipien bieten.

Grundlagen der Wärmebehandlung

Was ist Wärmebehandlung?

Wärmebehandlung umfasst verschiedene Prozesse, bei denen Metalle auf definierte Temperaturen erhitzt und anschließend kontrolliert abgekühlt werden. Diese Vorgänge haben das Ziel, die Eigenschaften des Metalls so zu verändern, dass es den Anforderungen der jeweiligen Anwendung optimal entspricht. Typische Ziele sind:

  • Verbesserung der mechanischen Eigenschaften (z.B. Härte, Festigkeit, Zähigkeit)
  • Erhöhung der Verschleißfestigkeit
  • Verbesserung der Bearbeitbarkeit
  • Reduzierung von Spannungen im Material

Wichtige Begriffe und Konzepte

Bevor wir uns den einzelnen Verfahren widmen, sollten einige grundlegende metallurgische Begriffe erläutert werden:

  • Austenitisierung: Erhitzen eines Stahls auf eine Temperatur, bei der das Gefüge vollständig in Austenit umgewandelt wird.
  • Martensit: Ein hartes und sprödes Gefüge, das durch schnelles Abkühlen (Abschrecken) von Austenit entsteht.
  • Perlit: Ein lamellares Gefüge aus Ferrit und Zementit, das bei langsamer Abkühlung von Austenit entsteht.
  • Ferrit: Ein weiches und duktiles Gefüge, das bei niedrigen Temperaturen stabil ist.

Wärmebehandlungsverfahren

Härten

Beim Härten wird ein Metall zunächst auf eine hohe Temperatur erhitzt und anschließend schnell abgekühlt (Abschrecken). Ziel ist es, ein hartes und sprödes Martensit-Gefüge zu erzeugen. Der Prozess umfasst zwei Schritte:

  1. Austenitisierung: Das Metall wird auf eine Temperatur erhitzt, bei der das Gefüge vollständig in Austenit umgewandelt wird.
  2. Abschrecken: Das erhitzte Metall wird schnell in Wasser, Öl oder Luft abgekühlt, um die Bildung von Martensit zu fördern.

Dieses Verfahren ist besonders bei Werkzeugstählen und Bauteilen verbreitet, die hohen Verschleißbelastungen standhalten müssen.

Anlassen

Nach dem Härten folgt oft das Anlassen, um die durch das Härten entstehende Sprödigkeit zu verringern und die Zähigkeit des Metalls zu verbessern. Hierbei wird das gehärtete Metall auf eine moderate Temperatur erhitzt (150°C bis 650°C), um Spannungen abzubauen und Zähigkeit zu gewinnen. Das Metall kühlt anschließend langsam ab.

  1. Erwärmen: Das gehärtete Metall wird auf eine moderate Temperatur erhitzt (typischerweise zwischen 150°C und 650°C).
  2. Halten: Das Metall wird für eine bestimmte Zeit auf dieser Temperatur gehalten, um Spannungen abzubauen und die Zähigkeit zu erhöhen.
  3. Abkühlen: Das Metall wird langsam abgekühlt.

Das Anlassen wird häufig bei Werkzeugen und Maschinenteilen angewendet, die sowohl hart als auch zäh sein müssen.

Glühen

Das Glühen ist ein weiterer wichtiger Prozess in der Wärmebehandlung, bei dem die Bearbeitbarkeit des Metalls verbessert und Spannungen reduziert werden. Es gibt mehrere Glühverfahren:

  • Rekristallisationsglühen: Das Metall wird auf eine Temperatur erhitzt, bei der neue, unverzerrte Körner gebildet werden, um die durch Kaltverformung verursachten Spannungen abzubauen.
  • Spannungsarmglühen: Das Metall wird auf eine moderate Temperatur erhitzt und langsam abgekühlt, um innere Spannungen zu reduzieren, ohne das Gefüge wesentlich zu verändern.

Das Glühen wird häufig bei Blechen, Drähten und anderen kaltverformten Produkten angewendet.

Normalisieren

Das Normalisieren ist ein Wärmebehandlungsverfahren, bei dem ein Metall auf eine Temperatur oberhalb der kritischen Temperatur erhitzt und anschließend an der Luft abgekühlt wird. Der Prozess umfasst folgende Schritte:

  1. Erwärmen: Das Metall wird auf eine Temperatur erhitzt, bei der das Gefüge vollständig in Austenit umgewandelt wird.
  2. Abkühlen: Das Metall wird an der Luft abgekühlt, um ein feinkörniges und gleichmäßiges Gefüge zu erzeugen.

Das Normalisieren wird häufig bei Stählen angewendet, um ein gleichmäßiges Gefüge und eine verbesserte Zähigkeit zu erreichen.

Einsatzhärten

Das Einsatzhärten ist ein Wärmebehandlungsverfahren, bei dem die Oberfläche eines Metalls durch Diffusion von Kohlenstoff gehärtet wird. Der Prozess umfasst folgende Schritte:

  1. Kohlenstoffanreicherung: Das Metall wird in einer kohlenstoffreichen Umgebung auf eine hohe Temperatur erhitzt, um Kohlenstoff in die Oberfläche zu diffundieren.
  2. Abschrecken: Das Metall wird schnell abgekühlt, um die gehärtete Randschicht zu erzeugen.

Das Einsatzhärten wird häufig bei Zahnrädern, Wellen und anderen Bauteilen angewendet, die eine harte Oberfläche und einen zähen Kern erfordern.

Glühen von verschiedenen Werkstoffen

Glühen von Stahl

Stahl wird geglüht

Beim Glühen von Stahl sind mehrere Schlüsselfaktoren zu beachten, um die gewünschten Materialeigenschaften zu erzielen und die Qualität der Wärmebehandlung sicherzustellen:

  • Auswahl des richtigen Glühverfahrens: Je nach den angestrebten Eigenschaften des Stahls und seiner vorherigen Verarbeitung ist das passende Glühverfahren auszuwählen. Unterschiedliche Verfahren wie Weichglühen, Spannungsarmglühen, Normalglühen und Rekristallisationsglühen zielen darauf ab, spezifische Veränderungen im Material zu bewirken.
  • Kontrolle der Glühtemperatur: Die Glühtemperatur spielt eine entscheidende Rolle für das Ergebnis der Wärmebehandlung. Sie muss genau eingestellt werden, um die gewünschten Veränderungen im Gefüge des Stahls zu erreichen, ohne unerwünschte Phasen oder Gefügezustände zu erzeugen.
  • Haltezeit: Die Zeit, die der Stahl auf der Glühtemperatur verbringt, ist entscheidend. Sie muss ausreichend lang sein, um einen vollständigen Temperaturausgleich im Werkstück zu erreichen und die angestrebten physikalischen und chemischen Prozesse im Material zu ermöglichen.
  • Abkühlgeschwindigkeit: Die Geschwindigkeit, mit der der Stahl nach dem Halten abgekühlt wird, hat einen direkten Einfluss auf das Endgefüge und die Materialeigenschaften. Ein langsames Abkühlen fördert in der Regel ein gleichmäßiges und feinkörniges Gefüge.
  • Atmosphäre im Glühofen: Um Oxidation und andere unerwünschte chemische Reaktionen zu verhindern, muss die Atmosphäre im Glühofen kontrolliert werden. In bestimmten Fällen kann der Einsatz einer Schutzgasatmosphäre erforderlich sein, um die Oberflächenqualität des Stahls zu bewahren.
  • Geometrie und Anordnung der Werkstücke: Die Form des Werkstücks und seine Platzierung im Ofen können die Wärmeübertragung beeinflussen und somit die Gleichmäßigkeit der Wärmebehandlung. Eine gleichmäßige Erwärmung und Abkühlung aller Teile des Werkstücks ist für ein erfolgreiches Ergebnis wichtig.

Durch Berücksichtigung dieser Faktoren kann die Glühbehandlung von Stahl effektiv durchgeführt werden, um die angestrebten Eigenschaften des Materials zu erreichen.

Glühen von Aluminium und Duraluminium

Das Glühen von Aluminium und Duraluminium unterscheidet sich hauptsächlich in den spezifischen Wärmebehandlungsverfahren und den Zielen, die mit diesen Verfahren erreicht werden sollen. Aluminium kann in verschiedene Legierungen unterteilt werden, darunter Knet- und Gusslegierungen, die entweder aushärtbar oder nichtaushärtbar sind. Duraluminium, eine spezifische Art von Aluminiumlegierung (AlCuMg), fällt in die Kategorie der aushärtbaren Legierungen.

Glühen von Aluminium

  • Für nichtaushärtbare Aluminiumlegierungen werden Verfahren wie Weichglühen, Homogenisierungsglühen, Spannungsarmglühen oder Rekristallisationsglühen angewandt. Diese Verfahren zielen darauf ab, die Bearbeitbarkeit zu verbessern, innere Spannungen zu reduzieren und das Gefüge zu homogenisieren.
  • Aushärtbare Aluminiumlegierungen, einschließlich bestimmter Knet- und Gusslegierungen, durchlaufen Prozesse wie Lösungsglühen, Abschrecken und Warmauslagern oder Kaltauslagern, um die Festigkeit durch Aushärtung zu steigern.

Glühen von Duraluminium

  • Duraluminium wird speziell durch Ausscheidungshärtung gehärtet, ein Prozess, der Lösungsglühen, Abschrecken und anschließendes Auslagern (Warmauslagern oder Kaltauslagern) umfasst. Dieser Prozess erhöht die Festigkeit und Härte von Duraluminium deutlich im Vergleich zu reinem Aluminium.
  • Die Wärmebehandlung von Duraluminium zielt darauf ab, eine höhere Festigkeit und Härte zu erreichen, was es für anspruchsvolle Anwendungen wie in der Luft- und Raumfahrtindustrie geeignet macht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Glühen von Aluminium je nach Legierungstyp eine Reihe von Verfahren umfassen kann, die auf die Verbesserung der Bearbeitbarkeit, die Reduzierung von Spannungen oder die Homogenisierung des Gefüges abzielen. Beim Glühen von Duraluminium hingegen liegt der Fokus auf der Erhöhung der Festigkeit und Härte durch Ausscheidungshärtung, was es für spezielle Anwendungen prädestiniert.

Glühen von Gusseisen

Glühen von Gusseisen

Das Glühen von Gusseisen ist ein vielseitiger Prozess, der darauf abzielt, die Eigenschaften dieser Werkstoffe zu verbessern oder zu modifizieren. Gusseisenlegierungen wie Gusseisen mit lamellarem Graphit (GJL), Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS), und Gusseisen mit vermicularem Graphit (GJV) haben jeweils spezifische Eigenschaften und Anforderungen, die bei der Wärmebehandlung berücksichtigt werden müssen.

Gusseisen mit lamellarem Graphit (GJL) ist aufgrund seiner guten Gießbarkeit und Bearbeitbarkeit sowie seiner Dämpfungseigenschaften weit verbreitet. Beim Glühen von GJL kann das Ziel darin bestehen, innere Spannungen zu reduzieren oder das Gefüge zu homogenisieren, um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern. Weichglühen kann angewendet werden, um die Bearbeitbarkeit zu erhöhen, indem die Härte reduziert wird.

Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS), auch bekannt als Sphäroguss, bietet stahlähnliche mechanische Eigenschaften und eine gute Zähigkeit. Die Wärmebehandlung von GJS kann verschiedene Ziele verfolgen, wie das Einstellen spezifischer mechanischer Eigenschaften durch Perlitglühen oder das Reduzieren von Gussspannungen. Beim Austenitisieren von GJS muss darauf geachtet werden, ein Verzundern und eine Randentkohlung zu vermeiden. Einige Wärmebehandlungsverfahren haben bei GJS an Bedeutung verloren, da die mechanischen Eigenschaften der Grundsorten oft bereits im Gusszustand erreicht werden können. Dennoch ist in einigen Fällen, insbesondere bei kaltzähen Sorten, eine Glühbehandlung erforderlich, um ein einwandfreies ferritisches Grundgefüge einzustellen. Duktile Rohre aus GJS werden grundsätzlich wärmebehandelt, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen.

Gusseisen mit vermicularem Graphit (GJV), das eine Zwischenform zwischen GJL und GJS darstellt, kombiniert einige der besten Eigenschaften beider Materialien, wie eine gute Zähigkeit und eine höhere Festigkeit im Vergleich zu GJL. Die Wärmebehandlung von GJV kann darauf abzielen, die mechanischen Eigenschaften weiter zu verbessern oder spezifische Anforderungen für bestimmte Anwendungen zu erfüllen.

Unabhängig von der Gusseisenlegierung ist es wichtig, die Wärmebehandlungsparameter sorgfältig zu wählen, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen, ohne das Material zu schädigen. Die Temperaturführung, Haltezeit und Abkühlrate müssen auf die spezifische Legierung und das angestrebte Ergebnis abgestimmt werden. Insbesondere bei GJS ist die Kontrolle der Glühbedingungen entscheidend, um eine optimale Gefügestruktur ohne unerwünschte Phasen zu erzielen.

Das Glühen von Gusseisenlegierungen wie GJL, GJS und GJV ein tiefes Verständnis der Materialcharakteristika und der Wirkung verschiedener Wärmebehandlungsverfahren. Durch die Anpassung der Prozessparameter an die spezifischen Anforderungen jeder Legierung können die gewünschten Eigenschaften effektiv eingestellt und verbessert werden.

Anwendungen der Wärmebehandlung

Maschinenbau

Im Maschinenbau wird die Wärmebehandlung verwendet, um die mechanischen Eigenschaften von Bauteilen zu optimieren. Beispielsweise werden Zahnräder und Wellen gehärtet, um ihre Verschleißfestigkeit zu erhöhen, während andere Komponenten geglüht werden, um ihre Bearbeitbarkeit zu verbessern.

Automobilindustrie

In der Automobilindustrie wird die Wärmebehandlung eingesetzt, um die Festigkeit und Zähigkeit von Fahrwerks- und Motorenteilen zu verbessern. Beispielsweise werden Kurbelwellen und Nockenwellen gehärtet und angelassen, um ihre Lebensdauer zu verlängern.

Luft- und Raumfahrttechnik

In der Luft- und Raumfahrttechnik ist die Wärmebehandlung entscheidend, um die Festigkeit und Zähigkeit von Strukturbauteilen zu gewährleisten. Hochfeste Legierungen werden häufig gehärtet und angelassen, um den extremen Belastungen standzuhalten, denen sie während des Fluges ausgesetzt sind.

Elektroindustrie und Optik

In der Elektroindustrie und Optik wird die Wärmebehandlung verwendet, um die Eigenschaften von Materialien zu optimieren. Beispielsweise werden Kupferdrähte geglüht, um ihre Leitfähigkeit zu verbessern, und optische Gläser werden wärmebehandelt, um Spannungen abzubauen und ihre optischen Eigenschaften zu verbessern.

Medizintechnik

In der Medizintechnik wird die Wärmebehandlung eingesetzt, um die Eigenschaften von Implantaten und chirurgischen Instrumenten zu optimieren. Beispielsweise werden Titanimplantate gehärtet und angelassen, um ihre Festigkeit und Biokompatibilität zu verbessern.

Fazit

Die Wärmebehandlung von Metallen ist ein unverzichtbarer Prozess in der Metallverarbeitung, der es ermöglicht, die mechanischen und physikalischen Eigenschaften von Metallen gezielt zu verändern. Durch die Anwendung verschiedener Wärmebehandlungsverfahren wie Härten, Anlassen, Glühen, Normalisieren und Einsatzhärten können Metalle für eine Vielzahl von Anwendungen optimiert werden. Die korrekte Durchführung der Wärmebehandlung erfordert fundiertes Wissen und Erfahrung, um zuverlässige und konsistente Ergebnisse zu erzielen.

Quellen

– Callister, W. D., & Rethwisch, D. G. (2018). Materials Science and Engineering: An Introduction. John Wiley & Sons.
– Totten, G. E. (2006). Steel Heat Treatment: Metallurgy and Technologies. CRC Press.
– Davis, J. R. (2001). Surface Hardening of Steels: Understanding the Basics. ASM International.
– ASM International. (1991). ASM Handbook, Volume 4: Heat Treating. ASM International.

 

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